Der Fachvortrag von Dr. Peter Richterich fand beim Symposium auf dem Wiesenhof viel Beachtung. Für unsere Leser fasst der Referent seine Ausführungen hier schriftlich zusammen.
Zuchttiere im Allgemeinen und hier im Speziellen Hengste und Stuten unterstehen einem nationalen und europäischen Regelwerk von Gesetzen, Richtlinien und Verordnungen, die in der Pferdezucht und insbesondere der Besamung umgesetzt werden müssen. Eine Untersuchungspflicht der Zuchttiere besteht durch das Tierzuchtgesetz und die EU-Richtlinie 92/65/EWG oder national durch die Samenverordnung (Verordnung über die Gewinnung, Abgabe und Verwendung von Samen, Eizellen und Embryonen von Zuchttieren). Das gilt für Zuchtstuten ohne oder mit Fohlen bei Fuß und für Maidenstuten.
Aber nicht nur gesetzlich besteht ein Untersuchungsbedarf; der Züchter ist interessiert eine wirtschaftliche Stute einzustellen, die nach Möglichkeit pro Zuchtnutzung ein Fohlen liefern soll. Betrachtet man die internationale und nationale Literatur, liegen die Ursachen einer erfolglosen Besamung zu etwa 50% allein bei der Stute. Auch der Hengsthalter respektive ‑besitzer hat ein Interesse an einer hohen und sicheren Befruchtungsquote des Hengstes, liegen doch hier weitere 40% der Fruchtbarkeitsstörungen in der Pferdezucht. Was nutzen Spitzenfohlen, wenn der Großteil der angepaarten Stuten nicht tragend wird, ein solcher Hengst kann sich am Markt nicht halten und wird nicht mehr frequentiert. Lediglich 10% der erfolglosen Anpaarung beruhen auf einer genetischen Unverträglichkeit zwischen Hengst und Stute, was vor allem bei Spezialrassen oder erhöhtem Inzuchtgrad zu einem früh- embryonalen Tod führen kann. Mit Hilfe eines grundlegenden reproduktionsbiologischen Verständnisses besteht die Möglichkeit, Stuten-Fruchtbarkeitsleistungen im Sinne des Züchters (Stutenhalters) zu steigern.
Fruchtbarkeit im Überblick
Die künstliche Besamung hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten durchgesetzt, ab Anfang dieses Jahrtausends lag der Anteil der Besamung bei über 80% und hält sich konstant auf diesem Niveau (Quelle: FN-Jahresberichte). Sie ist Standard in der Pferdezucht, die Selektion der Vatertiere kann gezielter erfolgen, und die Hengste können sich im Turniersport zeigen, was weitere Selektionskriterien für die Züchter liefert. Zeitgleich kann mit der durch den Züchter getroffenen Auswahl der Vermarktungswert der Fohlen gesteigert werden. Aus veterinärmedizinischer Sicht ist eine deutliche Steigerung der Zuchthygiene der wesentliche Vorteil der künstlichen Besamung und war letztlich auch das Hauptaugenmerk bei ihrer Einführung.
Trotz der verbesserten Hygiene liegt die Abfohlquote in der deutschen Reitpferdezucht bei etwa 62%, jedoch sind hier sehr starke Schwankungen von 41 – 76 % zu beobachten. Der Trakehner Verband weist eine durchschnittliche Quote von 60,8 ± 1,8 % aus den Jahren 1999 bis 2009 auf, was dem Mittel in Deutschland entspricht. Durch die künstliche Besamung konnte keine bessere Abfohlquote erzielt werden. In den Jahren 1978 bis 2009 lag sie bei 61,3 ± 2,9 % und liegt unter Beachtung der Standardabweichung damit auf gleichem Niveau. Jedoch zeigt die Abbildung 1 auf Seite 52 auch, dass der stetige Anstieg der Besamung auf über 80% keinen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit hatte.
Eine Eintragung ins Leistungsstutbuch D (Fruchtbarkeit) der FN erfolgt bei einer Abfohlquote von mindestens 70%. Betrachtet man die Fruchtbarkeitsleistung der englischen Vollblutpopulation in Deutschland, liegt die Abfohlquote bei nahezu 80%. Ein Einfluss des Natursprungs, die Zuchtmethode in der Vollblutzucht, zeigt keinen Vorteil gegenüber der Besamung (Abb. 1, S. 52). Auch ein genetischer Vorteil liegt nicht vor, da der genetische Vollblutanteil in der Trakehner Population durchschnittlich 45% beträgt, jedoch mit deutlicher Streuung. Wie schaffen die englischen Vollblüter es dennoch, eine deutlich bessere Fruchtbarkeitsleistung im Vergleich zur deutschen Reitpferdezucht zu erreichen?
Fruchbarkeit maximieren
Die Anforderungen für ein Zuchttier im generellen bestehen zum einen aus Pedigree, Exterieur und Leistungsparametern, deren Bewertung obliegt der Zuchtleitung. Die Begutachtung der genetischen und extragenitalen (Osteochondrosis dissecans, Hernien, Kryptochismus, etc.), sowie genitalen Gesundheit ist durch veterinärmedizinische Diagnostik zu erzielen. Zur genitalen Gesundheit zählen der physiologische und funktionelle Aufbau der Geschlechtsorgane sowie die endokrinologische Aktivität. Bei der Stute ist zusätzlich die Eutergesundheit für die Kolostrumversorgung und Ernährung der Fohlen von großer Wichtigkeit.
Ein Zuchtpferd muss zur Erzielung der maximalen Fruchtbarkeitsleistung ein entsprechendes Management im Bezug auf Haltung, Fütterung und Hygiene bzw. Pflege erfahren, da Umwelteinflüsse eine deutliche Auswirkung haben. Fohlenführende Zuchtstuten zum Beispiel sollten eine Körperkondition von 5 – 7 BCS-Punkten aufweisen, wenn die Body-Condition- Score Einteilung 1–10 beträgt, wobei 1 sehr bzw. stark abgemagert ist (Abb. 3, S. 53). Nur so ist eine ausreichende Energieversorgung für die Etablierung einer Trächtigkeit gewährleistet, da die Trächtigkeit dann nicht mit dem Erhaltungsbedarf in Konkurrenz steht. Zu üppige oder fette Stuten können Geburtsstörungen oder Stoffwechselprobleme nach der Geburt aufweisen, was sich ebenfalls negativ auf die Fruchtbarkeitsleistung auswirkt. (Weitere Angaben zur Zuchtstutenfütterung siehe: DT 2010, 3: 52–56.)
Der Hengst
Hengste, die in der Besamung oder im Natursprung eingesetzt werden, müssen zu Beginn der Zuchtsaison durch entsprechende Tupfer‑, Blut- und Ejakulatproben untersucht werden. Nur bei negativem Nachweis, wie in der Richtlinie 92/65/EWG (EU-Besamungsstation) oder der Samenverordnung (nationale Zulassung) verlangt, wird die Besamungserlaubnis erteilt. Neueste Untersuchungen an 298 Hengsten in der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie und Andrologie der JLU Giessen zeigen, dass bei 104 Hengsten (34,9%) Veränderungen beobachtet werden konnten. In einer Altersverteilung von in der Fruchtbarkeit reduzierten Hengsten ist deutlich zu erkennen, dass vor allem Junghengste (bis 6 Jahre) und Althengste (ab 18 Jahre) Veränderungen an den Geschlechtsorganen zeigen. Die Hoden von Junghengsten sind nach dieser Studie kleiner als normal und von weicherer Konsistenz, wohingegen bei Althengsten altersbedingte Veränderungen am Hoden und Nebenhoden auftreten. In beiden Fällen sind die Ejakulatparameter abweichend. Bei Hengsten zwischen 7 und 17 Jahren sind insbesondere die Erregernachweise von pathogenen Keimen auffällig. Bei Untersuchungen auf Deckinfektionen beim Hengst konnten hauptsächlich Klebsiellen und beta-hämolysierende Streptokokken nachgewiesen werden, bei 12,3% der untersuchten Hengste wurden mindestens zwei pathogene Erreger gefunden. Taylorella equigenitalis als Erreger der Kontagiösen Gebärmutterentzündung wurde lediglich in 5 % der Fälle gefunden. (Weitere Informationen über die Samenbildung, Ejakulatgewinnung und –aufarbeitung siehe: DT 2010, 2: 47–50.)
Die Stute
Nur durch eine ordentliche Diagnostik einer Zuchtstute kann die Fruchtbarkeitsleistung gesteigert werden. Natürlich entstehen dabei Kosten, aber Einsparungen an dieser Stelle bedeuten Mehrausgaben in einem anderen Bereich oder sogar ein Zuschussgeschäft, wenn die Zuchtstute aufgrund von Erkrankungen oder Veränderungen nicht aufnimmt. (Abb. 2, ohne Berücksichtigung von eventuellen Besamungspauschalen).
Die Zuchthistorie einer Stute ist ein wichtiges Kriterium zur Beurteilung der potentiellen Zuchtfähigkeit. Hierzu gehören die Zuchtleistung, die aus den geborenen Fohlen in den genutzten Zuchtjahren errechnet wird, die bisherige Bedeckungsart (Natursprung, Versandsperma, Tiefgefrier-Sperma) sowie der Zeitpunkt der letzten Geburt und deren Verlauf inklusive eventueller Störungen. Zu den Störungen zählen Schwergeburten – auch eine in der Zeitdauer verlängerte Geburt muss berücksichtig werden – ein Nachgeburtsverhalten (länger als 2 Stunden) oder deren verzögerter Abgang (1 bis 2 Stunden) können die physiologische Rückbildung negativ beeinflussen. Nach diesem Vorbericht untersucht man die Stute veterinärmedizinisch.
Untersuchung der Stute
Eine gynäkologische Untersuchung gliedert sich systematisch in die Abschnitte äußere Betrachtung der Genitale, innere Palpation ergänzt durch eine Ultraschall-Untersuchung per Rektum, eine vaginale Untersuchung, Entnahme der Tupferproben (in der Rosse!), ggf. Anfertigung einer Gebärmutterzytologie. Bei Stuten mit mehr als 3 güsten Zuchtjahren, Maidenstuten über 12 Jahren und Stuten mit wiederkehrender Entzündung der Gebärmutter empfiehlt sich für eine Fruchtbarkeitsprognose zusätzliche eine Uterus- biopsie mit anschließender histologischer Untersuchung.
Bei der Adspektion des Ano-Genital-Bereiches wird auf die Stellung des Schamschlusses geachtet. Ein eingezogener Analkegel und damit verbunden eine abgeflachte Stellung des Schamschlusses und der ‑lippen führt zu einer gesteigerten Gefahr einer Infektion des Scheidenkanals, vor allem wenn der Schamspalt nicht vollständig geschlossen ist. Das enge Anliegen der Schleimhäute hat einen Kapillareffekt zur Folge und zieht Kotwasser und dessen Keimbelastung weit in die Scheide ein, was bei einer Schrägstellung (abgeflacht) verstärkt möglich ist. Auch ein verkürzter Damm hat in der Regel durch dieses Phänomen einen negativen Einfluss auf die Fruchtbarkeit einer Stute.
Durch eine innere Untersuchung werden die Größe, die Konsistenz und die Symmetrie der Gebärmutter sowie Funktionsgebilde auf den Eierstöcken (Follikel) erfasst und beurteilt. Durch eine ergänzende Sonographie ist es möglich, pathologische Ver- änderungen, wie z.B. Füllungen der Gebärmutter, besser zu charakterisieren und sie so von einer eventuell doch vorhandenen Trächtigkeit zu unterscheiden. Per Ultraschall können zystische Veränderungen der Schleimhaut diagnostiziert werden. Auch die Eierstocksbeurteilung wird sinnvoll ergänzt: Größe und innere Strukturierung des Follikels oder ein ggf. vorhandener Gelbkörper sind hier erfassbar, was auch für eine spätere künstliche Besamung neben dem palpatorischen Befund wichtig ist.
In einer vaginalen Untersuchung mittels eines Spreizspekulums kann der Schluss des Hymens (vergleichbar mit dem Jungfern-häutchen) kontrolliert werden. Nur wenn bei der Untersuchung das Vakuum aufgehoben wird und ein deutlicher Lufteinstrom zu hören ist liegt eine physiologische Situation vor. Bei diesem Untersuchungsgang können zusätzlich Verletzungen oder Auf-lagerungen im Scheidenkanal oder am Gebärmuttermund gefunden werden, dieses ist durch eine rein manuelle Untersuchung nicht sicher möglich.
Vorbereitung auf die Zuchtsaison
Vor der Besamung muss der Keimgehalt direkt in der Gebärmutter kontrolliert werden. Eine Verunreinigung des Tupfers aus der Scheide oder des Gebärmuttermundes muss hierbei vermieden werden, um kein falsch-positives Ergebnis zu erhalten. Bei der Tupferprobenentnahme bleiben an der Spirale des Knudsen-Katheters Sekretspuren zurück, die man ohne deutlichen Mehraufwand ausstreichen und nach Färbung mikroskopisch untersuchen kann. Bei anderen Methoden der Probeentnahme sollten zusätzliche Zytologieproben gewonnen werden. Vorteil einer kombinierten Analyse des Keimgehalts und einer Uterus-Zytologie ist eine sichere Bewertung und gegenseitige Bestätigung der Ergebnisse. Ebenfalls von großem Nutzen ist die kurze Zeitspanne (noch am selben Tag) zwischen Zytologieentnahme und dem Verdacht einer Entzündung durch den Nachweis von neutrophilen Granulozyten im Ausstrich.
Bei Stuten, die in den letzten drei Zuchtjahren güst waren oder nach erfolgter Trächtigkeitsuntersuchung resorbiert haben, sowie Stuten, die eine immer wiederkehrende Entzündung der Gebärmutterschleimhaut haben, sollte vor der nächsten Belegung eine histologische Untersuchung der Gebärmutterschleimhaut erfolgen. Durch eine Biopsieentnahme aus der Schleimhaut und mikroskopische Analyse lassen sich Befundkategorien erstellen und Fruchtbarkeitswahrscheinlichkeiten pro Klasse feststellen. Klasse I ist ohne besonderen Befund, in den Klassen IIa/b finden sich entweder Fibrosierungen oder bzw. und Entzündungszellen, Klasse III weißt hingegen hochgradige Degenerationen der Uterusdrüsen auf. Die Zuordnung in den Fruchtbarkeitsklassen erfolgt nach Schwere der pathologischen Veränderungen. Diese Empfehlung gilt auch für Maidenstuten über 12 Jahre oder auch Sportstuten nach Karriereende, die in jungen Jahren schon ein Fohlen bei Fuß führten. Stuten in Klasse IIb oder III sollten nicht mehr in der Zucht eingesetzt werden, da ihre Fruchtbarkeitsklassifizierungen wirtschaftlich sehr ungünstig sind.
Eine Therapie von pathologischen Befunden muss vor der ersten Besamung abgeschlossen sein, um die Einnistung des Embryos in der Gebärmutter zu ermöglichen. Bakterielle Infektionen sollten gezielt nach einem Resistenztest behandelt werden und können durch Uterusspülungen ergänzt werden. Bei Hefe-Endometritiden oder resistenten Keimen haben sich Spülungen als Verdün-nungseffekt und eine Eigenblutplasmatherapie als sinnvoll erwiesen. Wichtig ist, dass der Therapieerfolg durch eine weitere Tup- ferprobe kontrolliert wird, sonst ist die Behandlung unnötig gewesen. Durch ein überlegtes Management kann dies sogar ohne Zeitverlust für eine Besamung in der nächsten Rosse durchgeführt werden.
Der richtige Besamungszeitpunkt
Nachdem die Stute für die anstehende Zuchtsaison vorbereitet ist kommt der Zeitpunkt der Besamung. Die Bestimmung des Zeitraums der Ovulation und damit der Besamung wird durch eine ultrasonographische Untersuchung vereinfacht, jedoch ist die alleinige Bestimmung der Follikelgröße und der Follikelausprägung (rund, polygonal, etc.) nicht ausreichend (Abb. 4), auch der palpatorische Befund (fest, weich-elastisch, weich) ist von großer Bedeutung. Um die Zeitspannen zwischen den Untersuchungen zu bestimmen, muss geklärt sein, welche Art der Bedeckung/Besamung erfolgt. Bei Stuten, die im Natursprung belegt werden, reicht eine Untersuchung im Abstand von 48 Stunden. Kommt Versandsperma zum Einsatz, so sollte mindestens ein 24-stündiger Abstand eingehalten werden, da hier auch noch die Transportzeit berücksichtigt werden muss. Bei einer Tiefgefriersperma-Insemination muss sehr engmaschig alle 6 – 8 Stunden kontrolliert werden, da die Überlebenszeit und damit die Befruchtungs-fähigkeit der Spermien deutlich reduziert ist. Eine einmalige Besamung in der Rosse ist das Optimum, in der Regel erfolgt die Besamung jedoch prae- und postovulatorisch. Da die Stute keimfrei ist, müssen bei der Besamung gewisse Hygienebedingungen eingehalten werden, um eine Kontamination der Gebärmutter zu verhindern.
“Eine Zwillingsträchtigkeit stellt auch für die Stute ein deutlich höheres Risiko dar…”
Die Embryonalentwicklung beginnt nach der Befruchtung im Eileiter der Stute. Erst um den Tag 5 – 6 wandert der Embryo in die Gebärmutter ein. Durch Weiterentwicklung und Strukturierung bildet sich die Keimscheibe, die bereits ab dem Tag 11 oder 12 nach der Befruchtung im Ultraschall dargestellt werden kann (Abb. 5). Eine sichere Trächtigkeitsdiagnose ist zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht immer möglich, sie sollte aber am Tag 16 erfolgen. Eine eventuell beginnende Rosse bei erfolgloser Besamung kann dann frühzeitig entdeckt werden. Stuten können durchaus in der 2. und 3. Rosse einen verkürzten Zyklus aufweisen, der dann nicht ungenutzt bleiben muss. Nach einer Bestätigung der Trächtigkeit ist es sehr bedeutsam, eine Zwillingsträchtigkeit auszuschließen. Gelingt dieses zu diesem Zeitpunkt nicht, muss eine erneute Untersuchung bis zum 25. Tag nach Besamung diesen Ausschluss erbringen. Bei einer vorhandenen Zwillingsträchtigkeit muss eine der beiden Fruchtanlagen eliminiert werden.
Zwillingsträchtigkeit
Eine Zwillingsträchtigkeit ist unerwünscht, da sie eine deutlich erhöhte Gefahr von Aborten ab dem 7. Monat aufweist, wobei oftmals ein Fetus schon im Mutterleib abgestorben sein kann und den zweiten vergiftet. Auch wenn die Trächtigkeit erhalten bleibt, ist die Gefahr von Geburtsstörungen oder die Geburt von unreifen, lebensschwachen Fohlen deutlich größer als bei Einlingsträchtigkeiten. Eine Zwillingsträchtigkeit stellt auch für die Stute ein deutlich höheres Risiko dar (Nachgeburtsverhaltungen, Geburtsverletzungen, etc.). Deswegen ist aus veterinärmedizinisch und tierschützerischer Sicht jegliche Zwillingsträchtigkeit bei Pferden zu verhindern.
Eine weitere Trächtigkeitsuntersuchung sollte zwischen den Tagen 30 und 40 nach der Besamung erfolgen. Die Ernährung der Fruchtanlage erfolgt hier vor allem durch die Uterusmilch, die in den Drüsen der Schleimhaut gebildet wird. Dieser Übergang ist ein weiterer kritischer Punkt der Frühträchtigkeit. Es sind genau diese Drüsen, die bei pathologischen Veränderungen eine Klassi-fizierung in Fruchtbarkeitsgruppe III bedingen. Hierbei ist ein durchaus erheblicher Teil des Drüsengewebes durch Bindegewebe ersetzt, welches nicht in der Lage ist ‚diese Uterusmilch zu produzieren. Ist in diesem Zeitraum die Trächtigkeit allerdings intakt, dann ist in der Regel davon auszugehen, dass eine vollständige Implantierung und Plazentation erfolgt.
Fruchtbarkeitsklassifikation
Im Gegensatz zu den Vollblütern wird in den meisten Zuchtbetrieben der Warmblutzucht keine weitere Untersuchung der Trächtigkeit angestrebt, teils sogar auf die Untersuchung zwischen dem 30. und 40. Tag verzichtet. Seit 1947 wird für das Direktorium für Vollblutzucht und Rennen e.V. eine so genannte Herbstuntersuchung durch unabhängige Gutachter durchgeführt. Jedes Zuchttier wird klinisch untersucht und bei einer nicht mehr tragenden Stute sofort eine weiterführende Diagnostik eingeleitet. Am Ende wird jedes Zuchttier, Stuten sowie Hengste, nach Fruchtbarkeitswahrscheinlichkeiten (Prognosen) eingruppiert. Hengste und Stuten mit einer sehr schlechten Klassifikation werden ausgemustert. Würde man dieses vorteilhafte Untersuchungsmodel auf die Warmblutzuchten übertragen, wäre es möglich, eine nicht mehr tragende Stute bereits im September oder November zu erkennen und nicht erst Mitte März, wenn die Stute keine Geburtsanzeichen zeigt. Hierdurch entsteht ein Zeitgewinn von etwa 6 Monaten, in dem nach eingehender Diagnostik eine sinnvolle Therapie eingeleitet werden kann und die Stute mit wesentlich besseren Voraussetzungen in die nächste Zuchtsaison startet. Beginnt die Diagnosefindung erst im April, ist der Zeitdruck für die laufende Zuchtsaison deutlich größer. In diesem Faktum kann die gesteigerte Fruchtbarkeitsleistung der englischen Vollblutstuten im Vergleich zur Warmblutpopulation liegen. Eine durchschnittliche Kostenanhebung von 30,- € plus zusätzlichen Behandlungen könnte eine Steigerung der Fruchtbarkeitsleistung von ca. 20 % bedeuten. Umgerechnet auf einen durchschnittlichen Fohlenpreis (Abb. 2, S. 52) bedeutet dieses eine durchschnittliche Erlössteigerung von 900,- € pro Zuchtjahr.
Dr. Peter Richterich, Fachtierarzt für Zuchthygiene und Biotechnologie der Fortpflanzung, Tierärztliche Praxis Schwarmstedt, Klinikum Veterinärmedizin — JLU Giessen